2006 - Archiv
Katherine Newbegin Warteraum
Katherine Newbegin hat Spuren menschlichen Daseins in den USA, Cuba, Rumänien, Polen und Deutschland recherchiert. Die Gemeinsamkeit aller ist die verstrichene Zeit, sichtbar durch die Relikte, nicht nur spürbar.
Mit dem Bildungshintergrund eines Bachelor of Arts für englische Literatur und Fotografie manifestierte Katherine Newbegin Räume zwischenmenschlicher Begegnungen in genau dem Zustand, in dem sie sie vorfand. Keine Arrangements, keine Veränderungen der Szene. Diese Räume spiegeln menschliche Beziehungen wieder.Sie sind höchst emotional und zeitenverbindend(www.Galerie-Open.de, 2006). Ein herab gestürzter Vorhand säumt die Fensterlaibung, ein Telefon, ein Sofa. Welches Drama, welche Komödie fand hier statt. Ein Bett, Überbleibsel einer aufgewühlten Liebesnacht, wo mag das Paar nun sein, war es überhaupt ein Paar. Artefakte menschlicher Begegnungen, Hinterlassenschaften angewandt kultureller Art, nach der Benutzung erstarrt. Nicht weiter beachtet. Wie sehr sinnlos muss den Protagonisten das Ende ihrer Verwendung vorgekommen sein. Ordnung und Aufgeräumtheit stehen Chaos und Verlassenheit gegenüber. Verbundenheit schaut dem Drama der Einsamkeit zu. Fürsorge verzweifelt angesichts der Perspektive in diesen Räumen. Das Lachen verstummt. Was bleibt ist Atmosphäre, die charismatische Aura einer göttlichen Begegnung? Warum machen mich diese Bilder so nachdenklich, sprachlos. Ich bin zutiefst betroffen. Warum fasziniert mich dieser Verfall einer Brutstätte der Heimeligkeit. Was dachte der letzte Mensch, der die Räume mit deren zugestandener Verwendung erleben durfte.
Katherine Newbegins Arbeiten sind Porträts nicht sichtbarer,
aber spürbarer Individuen.
Infos
- Legiendamm 18-20
- 10179 Berlin
- Tel.: 030 27 58 28 10
- www.galerie-open.com
Öffnungszeiten:
- Di, Mi, Do, Fr, Sa 11:00 -19:00 Uhr
- und nach Vereinbarung
- Mo geschlossen
- 08. September - 04 November 2006
Hochabsolventen - Nachwuchs als Objekte für Kunstsammler und Spekulanten oder einfach nur gut
Zeitgleich zeigen die Kunsthochschule Weissensee und die Udk Berlin ihre Absolventenklasssen. Raus aus Pankow verschlug es die Zonenrandgruppe Weissensee in eine medienwirksamere, räumlich bessere Ausgangsposition, in das Postfuhramt Oranienburger Ecke Tucholski, diagonal gegenüber vom CO Berlin.
Erst suchend dann staunend sehe ich plötzlich ein weißes Blatt Papier vor meiner Nase. 22 Namen zähle ich auf dem Übersichtsplan, den ich am Eingang von einem aufsehenden Absolventen erhalte. Freundlich lächelt er mich an, will mir gleich die Struktur der Ausstellung erklären. Ausführliches Infomaterial breitet sich aus. Weissensee fährt auf. Im Eingangsbereich begeistern Irene Pätzugs Hyänen aus Gips oder die Pfeilschwanzkrebse aus Silikon mit Mimikri-Eigenschaften eines Chamäleons auch meine Begleiter. Weiter drinnen in den wohl 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche dauert es nicht lange bis ich ein Portrait finde welches ich gleich für den BAI-Titel verwenden möchte. Nachgefragt lande ich beim freundlichem Portier von eben, namens Vincent Wenzel, der sich als Talent der Malerei entpuppt. So rausche ich durch die Gänge, um mich berauschen zu lassen. Bleibe hängen bei Dieter Lutschs Matratzenskultpturen mit kinetischen Momenten. Schaumberge tun sich auf, verbiegen und bäumen sich, gerade habe ich den rechten Zeitpunkt gefunden für ein Foto bevor alles zusammenfällt, wieder zu Spüli wird und in der 60er-Jahre-Betonarchitektur versickert. Eine verschwundene Dimension. Janine Gerbers grossformatige Malereien füllen nicht nur Räume, sondern auch meinen Kopf aus. Ich sehe nur noch bunte Bilder. Li La Laune. Raus aus der Mitte hin zum verschlaf.... na, böser Junge, Charlottenburg, an die Topadresse für Künstler-Nachwuchs, der UdK Berlin. Die umfangreichen Ausstellungen der UdK formen sich in Kombination mit einer vorzüglichen Biergartenathmosphäre zu einem "dolce vita" des Kunsterlebens. In gewohnt hoher Qualität bieten sich auch hier viele Gelegenheiten für den Durchschnittssammler oder Kunstspekulanten. Christian Awe treibt mit seinen dreigeteilten Großformaten mit Allover-Charakter alle Heitzer-Offset-Fans dazu eine statussymbolträchtige Unikatensammlung anzustreben. Feng Lus überzeichnete Figuren, gepeinigt, obsessiv, dickbäuchig, faltig, verbogen, missgebildet erinnern uns an den Teil der Gesellschaft der in den Medien meisst unterrepräsentiert ist, holt uns zurück zum normalen Leben. Nichts zu sehen gab es diesmal bei den UdK-Klassen Richter, Craigg, Sieverding u.a.. "Aussser Haus" heisst das respektlose und rebellische Projekt, welches durch performative Abwesenheit innerhalb der UdK gefeiert wird. Es ist als hochschulpolitischer Widerstand und als Kritik am Umgang einzelner Professoren und deren Verantwortung für die Lehre zu verstehen. In der Uferstrasse im immer noch kommenden Bezirk Wedding wird die Schau ab dem 27.07.2006 nachgeholt. Die Preise sind niedrig. Man kann nichts falsch machen, solange man mit dem Herzen kauft.Infos
Jens kein Liebchen mehr als 1000fach
Texte von Kaernbach und Boris Groys führen uns an die Arbeit Jens Liebchens heran, eine besondere, weil Liebchen durch den Bundestag in die Lage versetzt wurde, die Größen der Kunstszene zu portraitieren, deren Arbeit zu dokumentieren und durch sein Bildgefühl zu interpretieren.
Von Hans Peter Adamski und Georg Baselitz bis zu Jörg Herold, Franka Hörnschemeyer, Jenny Holzer, Sigmar Polke, Neo Rauch, Hans Peter Reuter, Gerhard Richter oder Günther Uecker reicht das Portfolio und Druckergebnis in Form eines überschaubaren Bildbandes. Allen wird fein säuberlich der Steigbügel gehalten. Lieber Jens, verwöhne uns doch lieber mit deinen exzentrischen Selbstinszenierungen, dem 1000fach Liebchen auf Parkett, Linoleum und im Ami-Schlitten. Eine Vorankündigung kann ich dennoch wagen, und eine Ausstellung seiner Fotos im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus für den 14.07 - 03.09.2006 vermerken. Sammelt und treffet euch.Infos
Jens Liebchen Fotografien ? Politik und Kunst ? Kunst und Politik
- Künstler und ihre Werke in den Bauten des Deutschen Bundestages in Berlin
Politik & Kunst - Kunst & Politik
HC 20x27,5 cm 197 S. Nun auch als Softcover
J.J. Heckenhauer 2004
48,00 €
Tokyo Berlin | Berlin Tokyo
100 Jahre Kunstaustausch zwischen Berlin und Tokyo
Gleich habe ich mich auf die Suche nach meinen Lieblingsprotagonisten gemacht. Araki, das war doch auch ein Japaner, vorbei ging es an Exponaten der Brücke Künstler, die schon früh den Austausch mit den Japanern suchten. Ups, da war doch noch ein Flohrschütz. Schön, einfach schön. Eine kleine Architektur-Exkursion. Und dann konnte ich tatsächlich eine Reihe vorzüglicher Originale betrachten auf denen Araki seine Modelle in wieder erkennbar geknebelter Form positionierte, erniedrigend, obsessiv aber auch alltäglich. Wie schön ein Knebel den Körper deformieren kann ... Zwei Städte so unterschiedlich in ihrer Ausprägung, die eine Metropole. 10fach größer als Berlin und zugleich teuerste Stadt der Welt, die andere kunstbesessen und von Nonkonformismus geprägt, sind seit 100 Jahren auf der Suche nach gegenseitiger Befruchtung. 9000km und ein kultureller Unterschied der sich in der Kunst als inspirierendes Moment erwies und erweist, hat dazu geführt, dass mittlerweile hunderte Künstler die Herausforderung der fremden Stadt angenommen haben. Amüsant und spielerisch zugleich faszinierte mich die Einfachheit von Candice Breizt' "AIWA to Zen" einem Video in dem mit dem vorhanden japanischen Wortschatz der Künstlerin (ca. 100 Worte inklusive Markennamen wie Kawasaki oder Yamaha) japanische Alltagsszenarios nachgespielt wurden. Für den durchschnittlichen Europäer, der wohl nicht mehr als 10 Worte Japanisch kennt lassen sich Dramen und Komödien durch das schauspielerische Talent der Darsteller erahnen. Hanna Höchs Fotocollagen, damals spannend wie heute, vollklimatisierte Schlafcontainer von Tsuyoshi Ozawa, designinteressierte werden sie kennen. Der japanische Architekt Toyo Ito gestaltete das Erdgeschossder NG mit einer raumgreifenden Ausstellungsfläche in Hügelform. Ein kühner Kontrast zur schlichten Gebäudearchitektur des Mies van der Rohe. Vom Japonismus über Der Sturm, Dada (Aus dem europäischen Dada wird in Japan Mavo), Bauhaus geht es zum Künstlerischen Austausch währen der Zeit des Dritten Weltkrieges, als das Deutsche Reich antikommunistischer imperialistischer Bündnispartner Japans war. Auch die Folgen dieser Allianz wie Hunger, die Atombombe und die folgende Neuorientierung wurden von den Künstlern als wichtiges Thema der künstlerischen Auseinandersetzung erkannt und hier nun thematisiert. Fluxus und Happening-Interpretationen leiten den Übergang zur zeitgenössischen Kunst ein. Manga, Anime und der Einfluss der Konsumgesellschaft auf die Kunst werden kritisch kommentiert oder bildreich illustriert. Dann auf einmal Nam June Paik, ein Koreaner. Das Rätsel bleibt vorerst ungeklärt. Einen Punktabzug gibt es von mir immer für Ausstellungen, die so streng chronologisch und nach Lehrbuch "Kunstgeschichte" aufgestellt werden. Schade. Fällt euch nichts anderes mehr ein? Desweiteren finde ich den Part "Architektur" etwas muffig. Wer sich speziell mit dem Japonismus beschäftigen möchte soll mal ins Partnermuseum dem Museum für Ostasiatische Kunst in Dahlem gehen, und danach zur Neuen Nationalgalerie. Auf der Website der Nationalgalerie kann man sich drei Beispiele der gut gelungenen Audioführung anhören. Angenehm ist, dass es trotz dieser doch gelungen Ausstellung keine langen Warteschlangen gibt. Fast schon haben wir uns daran gewöhnt. Und für Freunde der Sekundärerlebniskultur noch ein Literaturhinweis. Bei dem Verlag Hatje-Cantz ist eine ausführliche Dokumentation dieser Ausstellung herausgekommen. Viele Bilder- Klare Worte.Infos
- Potsdamer Straße 50
DE-10785 Berlin
Telefon:+49 (030) 26 62 651
Eintrittspreise 10 Euro, 5 Euro ermäßigt
7. Juni bis zum 3. Oktober
www.smb.spk-berlin.de
- 2006, 352 Seiten,
349 Abb., davon 243 farbig
22,70 x 30,00 cm
gebunden mit Schutzumschlag
Austellung Die Fotokantine | Spielplan 06/2006
Seit Dezember 2005 kann man in "DIE FOTOKANTINE" im kulturwirtschaftlichen Innovationszentrum Christiania in der Osloer Strasse 16/17, Berlin auf gewohnt hohem Niveau Kunst geniessen. Diesmal haben die Kuratoren ein besonderes Schmankerl bereit gestellt.
Einen Video-Abend mit Kurzfilmen.In "Kameraden" begegnen sich zwei Soldaten auf einem einsamen Posten im Winter. Aus Kleinigkeiten des zwischenmenschlichen Zusammenseins werden Dramen. Anfangs harmlos wird aus dem entstehenden Zwist eine handfeste Auseinandersetzung. In "Perfect Speed" experimentiert Chris Kondek mit Videoschnitt mit Repetition, Dopplung und das alles zu einer spannenden Musik von Hannes Strobl. In "Plastekröt" lernt eine zufällig an der Ostsee gefundene Plastikschildkröte - ein Förmchen - den Kampf in der Natur zu bestehen. In diesem Stop-Motion-Film dürfen wir sie von der Geburt bis zur Ihrem ersten Schwimmausflug begleiten.Infos
- Kurzfilm
Dauer 16min 17sek
Zwei Soldaten, Kameraden im Eid zetteln untereinander einen Kleinkrieg an.
- Experimentelles Video
Dauer 8min 6sek
- Stop-Motion
Dauer 3min 32sek
Die Geburt und die Wanderung der Plastekröt an der Ostsee
Kunstbank - Wie Berlin den Nachwuchs fördert
Etwas übersehbar, doch mitten in der sich entwickelnden Galerie- und Kunstprojektzeile in der Brunnenstrasse befindet sich der White Cube der Kunstbank, der Ausstellungsraum der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur (Flierl).
Monatliche Ausstelllungen mit je zwei Stipendiaten mit Vernissagen zu jedem ersten Donnerstag und die vorangehenden Künstlergespräche im den Gebäuden des Trägers NBK in der Chausseestrasse zu jedem ersten Mittwoch des Monats geben den Künstlern eine gern genutzte Gelegenheit ihre Positionen einem Kunstinteressierten Publikum vorzustellen. Die offenen Künstlergespräche aus der Reihe "Senatsstipendien zu Gast im NBK" haben sich bereits als Treffpunkt etabliert. Die jährlich wechselnde Jury entscheidet über die Vergabe der zwanzig 10.000 € Stipendien. Der Stipendiat kann dann mehr oder weniger frei entscheiden wann er seine Arbeit fertig stellt und präsentiert wird. Löblich: es gibt keine Altersbegrenzung für die Bewerber, wodurch auch Spätentwickler eine Chance bekommen. Der endjährlich erscheinende Sammelordner mit Informationen zu allen Künstlern zeigt deutlich, dass allein die künstlerische Qualität Maßstab für die Auswahl ist und weniger der Werdegang. Ein bisschen Promotion tut diesem Showroom gut, dümpelte er doch jahrelang vor sich hin. Seit nun Christiane v. Gilsa das Ruder übernommen hat, kann man so etwas wie Pflege, Fürsorge oder gar Kontinuität erkennen. Die Arbeiten der Stipendiatinnen Anette Rose und Susanne Pomrehn füllen während des Januars die Räume aus. Wobei Pomrehns Arbeit erst zur Finissage fertig gestellt sein wird. Tipp: man kann zusehen wie die Arbeit entsteht. Ihre Scherenschnitte aus fotografischem Material werden durch verbiegen, aufbrechen und verdrehen, sezieren mit dem Skalpell und durch kleben, heften, verketten in neue räumliche Beziehungen gebracht. Ergänzt werden die daraus entstehenden raumgreifenden Skulpturen in diesem Fall von der Decke herabhängend, durch Zeichnungen und Fotocollagen. "Säule der Verwaltung" ist der Titel der Arbeit und sieht aus wie ein Tornado. Äußerst fragil, zart - doch auch wenn hier nicht für den Kunstmarkt produziert wird, ist diese Arbeit mit einer speziellen Falttechnik archivierbar und wieder verwendbar. Die unbeschwerte Arbeitssituation ist eine wichtige Qualität bei der Förderung durch die Kunstbank. Anette Rose befasst sich seit geraumer Zeit mit der Erstellung einer Enzyklopädie der Handhabungen. Angefangen mit Videos in denen nach Vorgabe der Künstlerin Tätigkeiten ausgeführt werden, steht nun die dokumentarische Form von real existierenden Handhabungen in Handwerks- und Industriebetrieben im Vordergrund der Feldforschung. Freiheitsgrade in Bewegungsabläufen, Übung der Hände, deren Routine, Geschick und Gelehrigkeit werden festgehalten und dem Betrachter in konzentrierter Form dargereicht. Synchronaufnahmen und Projektionen in räumlicher Anordnung kennzeichnen die Arbeit von Rose. In der nächsten Stufe der Ausarbeitung werden Interviews geführt und Fragen nach Konzentration, Sinnlichkeit und Ergonomie gestellt und das Zusammengehen von Hand und Auge beobachtet. Im Februar findet die Eröffnung am 2. statt. Jurorin Annette Maechtel stellt die Werke von Sofia Hultèn und Sybille Kesslau in einer Einführung vor. Nach der oben aufgestellten Regel ist das Künstlergespräch im NBK am 1. Februar. Jetzt noch ein paar Auszüge aus einer 2004er Rede von Senator Flierl zur zehnten Präsentation: "Mein Dank ... , Ein ganz besonderes Dankeschön ... , Ich danke ... , ... viel Erfolg ..." Lovely, isn't it?Infos
Brunnenstrasse 188-190
10119 Berlin
Tel: 030-902 28-870
http://www.kultur.berlin.de siehe dort Kultur/Kunstbank